oö. Brauchtumskalender     Home Impressum Kontakt  
OÖ. Forum Volkskultur
OÖ. Forum Volkskultur
 
 
     
 

Ostergießen

     
 
Schöne Mädchen zu begießen
ist des Knaben Freudentag,
darum woll´n wir Dich (Euch) begießen,
heut´ am zweiten Ostertag.
Spruch der Burschen der Siebenbürger Jugend Oberösterreich zum Ostergießen
(Zitiert nach Ingrid Schuller, Referat für Frauenarbeit und Brauchtumspflege der Siebenbürger Sachsen Österreich)
Wo wird der Brauch in OÖ gelebt?
Gesamt OÖ

Zeitraum:
Ostermontag
Kategorie:
Siebenbürgische Bräuche, Ostern

 

Ingrid Schuller vom Referat für Frauenarbeit und Brauchtumspflege der Siebenbürger Sachsen Österreich schreibt:
Folgendes läßt sich über das Ostergießen bei unserem Heimatdichter Heinrich Zillich nachlesen:

Österliches Spritzengehen

Bei uns daheim in Siebenbürgen gab es vor langer Zeit allerlei seltsame Osterbräuche, von denen heute nur die gelehrten Herren etwas wissen oder die alten Leute in den entlegenen Dörfern.
Da durfte in der Karwoche, die der Stille geweiht war, beim Wäschewaschen am Bach mit dem hölzernen Schlägel nicht geschlagen werden, denn wer es tat, zog den Hagel an; der ließ zunächst auf sich warten, im Sommer aber kam er mörderisch mit nußgroßen Schlossen über die Flur genau bis zu jener Grenze, bis wohin der lästerliche Lärm des Schlägels gehört worden war.

Am Ostermorgen wanderte die Jugend, ehe es tagte, auf eine Anhöhe, um das Osterlamm in der aufgehenden Sonne zu erblicken; es mußte freilich ein unbedeckter Himmel sein. Mitten im feurigen Ball saß das himmlische Lamm; Burschen und Mädchen hatten so gute Augen, daß sie es in seiner Holdseligkeit erschauen konnten, wie es das Haupt mild zur Erde senkte, den Kreuzstab etwas ungeschickt an die Brust gelehnt, denn es hatte ja keine Hände; an Farbe und Gestalt ähnelte es zum Verwechseln den wächsernen winzigen Lämmlein, die der Dorfkrämer feilbot.
Und nachher, beim Frühgottesdienst, hielten die Frauen in gefalteten Händen das Blumemsträußchen, ohne das sie nie in die Kirche gingen, und jede hatte auf dem Schoß ein geknüpftes Taschentuch voll rotgefärbter Eier für die Patenkinder.
Wißt ihr auch, weshalb es rote Eier sein mußten? Nun, weil die Hennen der ganzen Welt einst, am Karfreitag, als der Herr am Kreuz hing, aus Kummer darüber blutige Eier gelegt hatten. Sonstwo wurde das bald vergessen, bei uns aber in den weltabgeschiedenen Tälern, da hatte man ein besseres Gedächtnis, da wußte man, was am ersten Karfreitag in den Hühnerhöfen aller Welt geschehen war.

Als ich vor dem Ersten Weltkrieg ein Kind war, achteten die meisten Leute die alten Gebräuche schon nicht mehr; ich glaube übrigens nicht, daß unsere Augen das Lamm ohne weiteres im glühenden Sonnenball hätten ersichten können. Aber eine Sitte befolgten wir streng und mit Lust; sie ist heute noch nicht tot und beglückt die Jugend, wo immer ein Häuflein Siebenbürger beisammen haust, ob daheim, wo viele, viele Tausende von uns leben, oder in Deutschland oder Amerika und wohin uns das Schicksal verstreut haben mag.

Am Ostersonntag gingen wir zur Kirche, wir heiligten darauf das Fest auch mit gewaltigen Mahlzeiten und tranken Wein, doch erst am Montag kam dann das Köstliche und Lustige, die schönste Freude. Man durfte – um es gleich zu verraten – den Mädchen ein wenig auf den Leib rücken, in Ehren, versteht sich, aber es klopfte uns Jünglingen das Herz dabei, und den Jungfrauen wohl nicht minder, denn ihre Gesichter glühten unter Gelächter und Abwehr wie der Sonnenball.

Selbst dem kleinsten Buben war dieselbe Freiheit zugestanden. Hosenmätze, die kaum auf den Beinen wackeln konnten, wagten sich dem weiblichen Geschlecht wie die erwachsenen Burschen zu nahen. Man ersieht daraus, daß es nichts Schlimmes war.
Eine Waffe gehörte dazu, ein Fläschchen mit wohlriechendem Wasser, oben saß ein durchlässiger Verschluß. Damit ließ sich herrlich spritzen. Und zu diesem Zweck war es ja da, das Fläschchen. Manche füllten es mit Parfüm, mit gutem oder minderem, manche gossen etwas Wasser hinzu, wodurch die Flüssigkeit wie Milch wurde, und so bewehrt schlich man schon in der Herrgottsfrühe in die Kammern der Schwestern und spritzte sie aus dem Schlaf.
Oh, wie sie schrien und unter die Decke krochen! Die Knechte trieben es derber mit den Mägden, sie gossen ihnen einen Eimer über den Kopf aus.
Sehr christlich war das nicht, aber mit Christentum hatte die Sitte auch nichts gemein. Die Gelehrten sind sich einig, daß da ein heidnischer Fruchtbarkeitszauber weiterlebte, gewiß, und er lebte sehr kräftig weiter, ja er wurde belohnt mit Eiern und Orangen, die die bespritzten Mädchen den Mannsbildern, den kleinen und großen, reichten. Das gehörte dazu wie der Schnaps, den das Weibervolk den erwachsenen Männern dafür kredenzte, daß es von ihnen derart behandelt wurde.

Am Vormittag sah man in jedem Ort die kleinsten Buben bis zu den reifen Junggesellen, das Fläschchen angriffslustig in der Hand, die Häuser reihum aufsuchen, wo ihnen Mädchen bekannt waren.
Man sah Väter mit ihren Knäblein gehen; die vornehmeren bedienten sich gar einer Kutsche. Auch trugen alle einen Korb oder einen anderen Behälter mit sich, um die Eier oder Orangen zu verpacken. Mancher mußte mehrmals heimeilen, den Vorrat abzustellen, worauf er die Rundreise fortsetzte.

Es war üblich, höflich anzuklopfen, sittsam einzutreten, das Fläschchen schwenkend zu fragen, ob es erlaubt sei, worauf die Mädchen und ihre Mutter nickten, den Hals einzogen, sich abwendeten und den feuchten Segen in Empfang nahmen. Man saß ein Weilchen um den Tisch, knabberte Gebäck, trank ein Gläschen und empfahl sich.
Zu Mittag aber röteten sich die Köpfe der Burschen, als sollte daraus etwas Lebendiges geboren werden, freilich kein Lämmchen; tagsdarauf war es ein Affe.

Die armen Weiblein hatten es da schlimmer, nicht weil sie so viele Eier und Orangen wegschenken mußten – das kam ja wieder herein, sofern sie Brüder hatten – und was kosteten bei uns schon Eier! Aber das Gemisch verschieden duftender Wässerchen saß in Haar und Kleidern tagelang fest. Da mußte man schon einige Eimer über den Kopf gießen, um wieder nach sich selbst zu riechen.

Meine Mutter und meine Schwester wurden am Ostermontag nicht bloß von den Angestellten meines Vaters beglückt, von allen jungen und sogar von den dicken alten Junggesellen; der eine spritzte Veilchendüfte, der andere Kölnisch Wasser, der nächste Lavendel; ach, es drangen außerdem auch die Gutsknechte, Kutscher, Tagelöhner und Arbeiter, zusammen ein Hundert und mehr, ins Haus, und es waren darunter welche, die einen Himbeerbonbon in Wasser auflösten und damit spritzten. Das roch nur wenig, es klebte aber arg.
Diese Männer und Knaben und Burschen hatten lustige Augen, nachher leicht verglaste, man nahm es hin. Es war wunderschön, es war der Höhepunkt der siebenbürgischen Ostern.
Und wenn in der Sonne wirklich das Lamm sitzt, hat es sicherlich beim Hinunterblicken auf die eierbunten duftenden Dörfer und Städte etwas getan, was Lämmer für gewöhnlich nicht fertigkriegen, es hat gelächelt, und sein Kreuzstab schwankte dabei, als segnete es unser Fest.

Siehe auch: Ostermontag